Befragungsergebnisse Stadtentwicklung

Die Zukunft unserer Stadtteile und Orte

Von Mitte Dezember 2021 bis Mitte Januar 2022 lief unsere Befragung zur Zukunft unserer Stadtteile und Orte, an der sich 898 Personen beteiligt haben. Vielen Dank für die zahlreiche Teilnahme! Die Befragung entstand in Zusammenarbeit mit dem s:ne Projekt zu zukunftsorientierter Stadtentwicklung.

Teilnehmende

  • Altersdurchschnitt: 49 Jahre
  • Altersspanne: 18-85 Jahre

 

 

 

Eine große Mehrheit der Teilnehmenden wohnt im Darmstädter Stadtgebiet – wie hier auf der Karte in türkis zu erkennen. Die umliegenden Gemeinden sind noch schwächer vertreten. Durchschnittlich leben die Teilnehmenden schon etwa 18 Jahre an ihrem aktuellen Wohnort, wobei die Spanne sehr groß ist, d.h. manche wohnen erst seit Kurzem in der Gegend, andere schon ihr ganzes Leben lang. Über die Hälfte (56,5%) der Teilnehmenden wohnt im Eigentum, die anderen wohnen zur Miete oder in anderen Wohnformen.

Wie attraktiv sind Stadtteile/Orte und warum?

Wir haben die Teilnehmenden gefragt, wie gerne sie sich – alles in allem – in dem Stadtteil/Ort aufhalten, in dem sie wohnen. Dazu konnten die Teilnehmenden aus fünf verschiedenen Smileys (von traurig bis sehr fröhlich) den Passendsten auswählen. Dabei kam heraus, dass die meisten Befragten sich gerne in ihrem Stadtteil/Ort aufhalten (s. folgende Abbildung).

Es gibt jedoch regionale und individuelle Unterschiede: Generell scheinen sich die Teilnehmenden, die in der Stadt Darmstadt leben, gerne in ihren Stadtteilen aufzuhalten. In manchen umliegenden Orten ist das weniger der Fall.

Wir wollten herausfinden, welches generell die wichtigsten Eigenschaften attraktiver Stadtteile/Orte sind. Dazu konnten die Teilnehmenden aus einer Liste fünf Punkte auswählen, die ihrer Meinung nach am wichtigsten sind. Diese drei Eigenschaften haben die Teilnehmenden mit Abstand am häufigsten ausgewählt: „Angebotsvielfalt (Mix aus Geschäften, Gastronomie und Dienstleistungen)“, „Erreichbarkeit (z.B. ÖPNV, Haltestellen, Parkplätze, Fahrradständer, Straßenführung)“ und „Bäume und Begrünung (z.B. Stadtbäume, Grünanlagen), Zugang zu Wasser (z.B. Fluss, See)“ (s. folgende Abbildung). Auffällig ist, dass nur wenige Teilnehmende Eigenschaften wie „Barrierefreiheit“, „Ausreichende Beleuchtung und Polizeipräsenz, um Sicherheit zu gewährleisten“ und „Teilhabemöglichkeiten (z.B. Versammlungsorte, Gemeindezentren)“ ausgewählt haben. Gerade bei Beleuchtung und Sicherheit deutet das darauf hin, dass diese Punkte womöglich bereits als selbstverständlich angesehen werden.

Zusätzlich konnten die Teilnehmenden eigene Ideen formulieren, wie der eigene Stadtteil/Ort noch attraktiver werden könnte. Wir haben uns sehr über die zahl- und umfangreichen Antworten gefreut! Diese werden aktuell noch ausgewertet. Bald sind auch diese Ergebnisse hier zu finden.

Außerdem wollten wir herausfinden, was den Befragten an ihren Wohnorten wichtig ist und wie sich die Attraktivität dieser Stadtteile/Orte erhöhen ließe. Dazu haben wir Teilnehmende zunächst gefragt, wie wichtig es ihnen ist, bestimmten Aktivitäten in ihrem Stadtteil/Ort nachgehen zu können. In einem zweiten Schritt wollten wir wissen, wie gut es ihnen möglich ist, diese Aktivitäten an ihrem Wohnort auszuführen. Die Aktivitäten haben wir von grundlegenden menschlichen Bedürfnissen (Grunddaseinsfunktionen, Partzsch, 1964) abgeleitet. Diese Aktivitäten waren für die Teilnehmenden sowohl unterschiedlich wichtig, als auch unterschiedlich gut möglich (s. folgende Abbildung).
 

So ist es den Befragten wichtig, für das Einkaufen oder für einen Zugang zu Grünflächen nicht erst weit fahren zu müssen. Jedoch scheint es sehr viel akzeptierter, für die Arbeit zu pendeln. Auch wie gut den Aktivitäten nachgegangen werden kann, variiert. Von besonderer Bedeutung dabei: Aktivitäten, die zwar als sehr wichtig eingestuft wurden, im Stadtteil/Ort aber nicht gut möglich sind. Sie zeigen Ansatzpunkte auf, um Stadtteile/Orte lebenswerter zu machen. Das waren vor allem „Dinge des täglichen Bedarfs einkaufen“, „Gastronomie (z.B. Cafés, Restaurants) besuchen“, „Dienstleistungen (z.B. Arztbesuche, Friseur, Post, Anwalt, Rathaus) in Anspruch nehmen“, „Kulturelle Angebote nutzen und Veranstaltungen besuchen“ und „Grünflächen und Parks nutzen“.

Was hat sich in den letzten fünf Jahren verändert?

Stadtteile und Orte verändern sich, z.B. durch den Online-Handel und die Corona-Pandemie. Davon wollten wir uns ein besseres Bild machen. Deshalb haben wir danach gefragt, welche positiven Veränderungen – neben den bekannten negativen, wie z.B. Leerstand – in den Stadtteilen/Orten bereits vorhanden sind. Am häufigsten nehmen die Teilnehmenden wahr: neue Mobilitätsangebote (z.B. Rufbus, Sharing-Angebote für Fahrräder) oder ÖPNV-Ausbau, neue individuelle Ladengeschäfte oder Gastronomie (z.B. zeitlich befristet betriebene Ladenflächen, Repaircafés), mehr oder neu gestaltete Freiflächen, Grünflächen und Wasserflächen. Neue Arbeitsplätze, neuer bezahlbarer Wohnraum und weitere Bildungsangebote sehen die Teilnehmenden hingegen eher selten. Auch hier gibt es regionale Unterschiede, über die wir gerne bei Interesse Auskunft geben.

Zukünftige Veränderungen im Stadtteil/Ort

Einige mögliche Veränderungen sind im Zusammenhang mit Nachhaltiger Entwicklung häufiger im Gespräch. Davon haben wir energetische Sanierungsmaßnahmen, Nachverdichtung, Verkehrsberuhigung und soziale Initiativen herausgegriffen, da hier ein besonders großes Potential in Bezug auf Nachhaltige Entwicklung in der Stadtentwicklung liegt. Wir haben die Teilnehmenden jeweils gefragt,

  1. wie sie zu diesen Maßnahmen stehen,
  2. für wie dringlich sie diese halten,
  3. inwiefern sie glauben, dass Menschen in ihrer Nachbarschaft von diesen Maßnahmen profitieren,
  4. inwiefern sie selbst Einfluss auf diese Maßnahmen nehmen können und
  5. inwiefern ihr Stadtteil/Ort durch diese Maßnahmen für sie persönlich an Bedeutung verlieren würde.

Zuspruch zu energetischer Sanierung

Insgesamt befürworten viele Teilnehmende Modernisierungsmaßnahmen, um den Energieverbrauch für Heizung, Warmwasser und Lüftung zu minimieren (s. folgende Abbildung). Besonders jüngere Teilnehmende, Teilnehmende mit höherem Einkommen und Immobilien-Eigentümer*innen befürworten die Maßnahmen. Viele sehen energetische Sanierung als dringend und gut für die Menschen im Stadtteil/Ort an. Möglichkeiten, darüber mitzubestimmen, ob und wie energetische Sanierungsmaßnahmen umgesetzt werden, bewerten die Teilnehmenden hingegen sehr unterschiedlich. Das hat kaum Einfluss auf die Befürwortung der Maßnahmen. Die meisten Teilnehmenden geben an, dass ihr Stadtteil/Ort durch energetische Sanierungsmaßnahmen nicht an Bedeutung verlieren würde. Je mehr die Teilnehmenden jedoch das Gefühl haben, dass die Maßnahmen die Bedeutung ihres Stadtteils/Ortes zerstören, desto weniger befürworten sie auch die Maßnahmen. Angesichts aktuell steigender Energiepreise liegt nahe: die erlebte Dringlichkeit und/oder Befürwortung energetischer Sanierung könnte sich seit der Befragung noch einmal erhöht haben.

Geteilte Meinung zu Nachverdichtung

Die Einstellung zu Nachverdichtung variiert stark. Tendenziell sind Immobilien-Eigentümer*innen Nachverdichtung gegenüber negativer eingestellt als Nicht-Eigentümer*innen. Auch die Dringlichkeit, die Kontrollmöglichkeiten, den soziale Vorteil und den Bedeutungsverlust durch Nachverdichtungsmaßnahmen bewerten die Teilnehmenden sehr unterschiedlich. Je höher die Ortsbindung und der Bedeutungsverlust durch Nachverdichtungsmaßnahmen sind, desto weniger befürworten die Teilnehmenden Nachverdichtungsmaßnahmen. Je höher die Dringlichkeit und der soziale Vorteil empfunden werden, desto eher sprechen sich Teilnehmende für Nachverdichtungsmaßnahmen aus.

Hoher Zuspruch zu Verkehrsberuhigung

Viele Befragte befürworten Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung in ihrem Stadtteil/Ort, selbst wenn sie dadurch ihr Mobilitätsverhalten stark ändern müssten (s. folgende Abbildung). Sie sehen Verkehrsberuhigung größtenteils als dringend und gut für die Menschen im Stadtteil/Ort an. Je mehr sie das tun, desto eher befürworten sie auch Verkehrsberuhigungsmaßnahmen. Die Kontrollmöglichkeiten nehmen die Teilnehmenden eher als begrenzt wahr. Ihr Stadtteil/Ort würde für die meisten Teilnehmenden durch Verkehrsberuhigung nicht an Bedeutung verlieren. Diejenigen, die einen Bedeutungsverlust befürchten, sind tendenziell gegen Verkehrsberuhigungsmaßnahmen.

Begrenztes Engagement in sozialen Initiativen

Viele Befragte engagieren sich nicht aktiv in sozialen Initiativen in ihrem Stadtteil/Ort, obwohl sie es teilweise für dringend und gut für die Menschen im Stadtteil/Ort erachten und auch Kontrollmöglichkeiten sehen. Tendenziell engagieren sich Teilnehmende mit Kindern, ältere Teilnehmende und Teilnehmende, die besonders ortsverbunden sind, eher in sozialen Initiativen. Auch Dringlichkeit, Kontrollmöglichkeiten, sozialer Vorteil und Bedeutungsverlust haben Einfluss darauf, ob sich Teilnehmende engagieren oder nicht.

Zu Besuch in vier Städten in Südhessen

Der letzte Teil der Befragung drehte sich um vier Städte in Südhessen, die zurzeit in Zusammenarbeit mit der Hochschule Darmstadt daran arbeiten, zukunftsgerichtete Lösungen für die Herausforderungen ihrer Innenstädte zu finden. Ein Großteil der Befragten war bereits in diesen Städten, nämlich in Bensheim (84,2%), Erbach (62,6%), Dieburg (74,3%), und Michelstadt (78,0%). Sie konnten uns verraten, was sie in diese Städte lockt.

Nach Bensheim zieht es die Befragten hauptsächlich aufgrund der schönen Altstadt und der Spazier- und Wanderwege, aber auch Volksfeste und das kulinarische Angebot sind unter den Top-Gründen für den Besuch. Auch nach Erbach gehen die Teilnehmenden hauptsächlich aufgrund der schönen Altstadt, der Sehenswürdigkeiten, der Spazier- und Wanderwege und der Volksfeste. Gründe für den Besuch in Dieburg sind vor allem die schöne Altstadt und die Volksfeste, hier spielen aber auch berufliche Termine eine wichtige Rolle. In Michelstadt ist die schöne Altstadt der absolute Publikumsmagnet, aber auch hier kommen die Befragten zu Sehenswürdigkeiten, Spazier- und Wanderwegen und Volksfesten.

Fazit

Darmstadt und die Region sind für viele Menschen attraktiv. Das zeigt sich nicht nur regelmäßig in Städte-/Regionsrankings (z.B. Zukunftsatlas 2019), sondern auch in unserer Befragung: Fast alle Teilnehmenden halten sich gerne in ihren Wohnorten auf und die meisten Ansprüche an den Lebensraum sind recht gut erfüllt. Trotzdem besteht Verbesserungspotenzial, denn einige Stadtteile/Orte scheinen weniger attraktiv zu sein als andere. Im Hinblick auf eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung zeigt unsere Befragung, dass Maßnahmen zur energetischen Sanierung und zur Verkehrsberuhigung weitgehend befürwortet werden, und sie gibt Anhaltspunkte, worauf bei der Umsetzung geachtet werden sollte. Wir leiten diese Ergebnisse jetzt an Verantwortliche in Stadt und Region weiter, damit die Meinungen und Wünsche der teilnehmenden Bürger*innen in der Stadtgestaltung berücksichtigt werden können. Wie die Ergebnisse in die Zusammenarbeit mit den vier Kommunen einfließen, können Sie auf unserer Webseite verfolgen.

Literatur

Partzsch, D. (1964), Zum Begriff der Funktionsgesellschaft, Mitteilungen des deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung, Heft IV, S. 3–10.

Kontakt

Prof. Dr. Daniel Hanß
Dr. Helena Müller

Die Befragung in der Presse

Grün macht attraktiv - Was ist für einen lebenswerten Stadtteil wichtig?
Beitrag im Darmstädter Echo (25.05.2022)

h_da befragt Bürgerschaft zur Stadtentwicklung
Beitrag im Nachhaltigkeitsblog (13.05.2022)

Was suchen die Darmstädter in ihrer Innenstadt?
Beitrag im Darmstädter Echo (03.02.2022)